Haben Sie auch manchmal die Idee etwas Großartiges erreichen zu wollen, wie z.B. die eigene Berufung zu finden, und schrecken dann vor der Größe Ihres Vorhabens zurück? Schließlich steckt in "großartig" das Wort "groß" und somit mächtig drin. Oder Sie fangen hochmotiviert mit Ihrem Vorhaben an und verlieren Ihre Motivation nach ein paar Tagen, Wochen oder Monaten? Ich kenne solche Einstellungen und Gefühle gut, denn ich gehe gerne strategisch an Aufgaben heran und überfordere mich durch den dadurch entstehenden Umfang selber. Häufig lasse ich nach einer toll ausgearbeiteten Konzeption die Finger ganz davon.

Oft gehört und dennoch scheinbar bisher nicht verinnerlicht, kenne ich natürlich die Kunst der kleinen Schritte oder "How to eat an elephant? Bite by bite!" Zwei Erlebnisse in den letzten drei Wochen haben nun dazu beigetragen, dass ich die Kunst der kleinen und sichtbaren Schritte tatsächlich anwende. Diese Erfahrungen teile ich hier in Zusammenhang mit dem Thema "Die eigene Berufung finden".

Die Kraft steckt im sichtbar Machbaren

Eine Erfahrung zu nicht erkennbaren nächsten Schritten machte ich an einer Kletterwand oder wie es heute heißt, beim Bouldern. Von meinem Bruder und meinem Neffen bekam ich Klettern im Westerwald geschenkt und dachte dabei zunächst an einen Kletterwald. Da ich offen bin für neue Erfahrungen, habe ich also zugestimmt und stand an einem sonnigen Sonntagnachmittag eher unvorbereitet vor einer Steinmauer mit Klettervorrichtungen. Unser Guide fragte nach unserer Klettererfahrung, die bei mir mit null beantwortet wurde. Daraufhin musterte er meinen Körper kritisch und fragte nach meiner Fitness, Ausdauer und Kraft. Obwohl ich nur meine Fitness als wirklich gut bezeichnen konnte, wagte ich den Einstieg, nachdem ich mir Gewissheit verschafft hatte, dass ich jederzeit von der Wand abgelassen werden konnte.


So machte ich also meine ersten Klettererfahrungen. Es machte mir Spaß und ich stellte mich geschickt an. Die Kraft ließ allerdings tatsächlich schnell nach. Und so stieg ich zunächst aus dem Parcours aus, tankte Energie und setzte später wieder an einem Stück ein, bei dem ich mich selber an einem Drahtseil sichern musste. Schritt für Schritt und Handgriff für Handgriff arbeitete ich mich quer an der Wand entlang.

Das ging so lange gut, bis ich an eine schwierige Stelle gelangte, an der ich mit der Länge meiner Beine scheinbar nicht weiterkam. Nur einen ganz kurzen, aber entscheidenden Augenblick keimte in mir der Gedanke auf, dass ich hier nicht weiterkomme. Das führte dazu, dass mich schlagartig die Kraft verließ und ich unkontrolliert an meinem Sicherungsseil baumelnd rund anderthalb Meter in die Tiefe stürzte. Bis auf ein paar blaue Flecke ist meinem Körper nichts passiert, doch eine wertvolle Erkenntnis habe ich daraus gezogen.

Teile Dir Deine Energie und die Schritte so ein, dass Du den nächsten als machbar erlebst!

So lange man in einem Projekt oder auf dem Weg zu einem Ziel den nächsten Schritt als gang- und machbar erlebt, reicht die Kraft und Ausdauer für diesen Schritt. Sobald man das Gefühl hat, hier komme ich nicht weiter, verlässt einen die Energie.

Zwei Wochen nach diesem Erlebnis war ich auf einem InspirationsCamp zum Thema "Gemeinsam lernen für mehr Online-Erfolg" in Bonn. Neben vielen technischen Sessions zu Videos, Podcasts und Facebook gab es auch einige zu Arbeitsweisen. Der Konsens vieler Methoden lautet: "Zerlege Dir Dein Projekt in verdauliche Häppchen und erst nachdem Du ein Häppchen gut gekaut und verdaut hast, wende Dich dem nächsten zu." Das ist beispielsweise die Vorgehensweise bei der "Agilen Produktentwicklung" oder bei der "Webdidaktik". Nicolai Westphal erläuterte gemäß seiner 2-Minuten-Coach Abhandlungen wie man seine gewohnten Muster verlassen und Zeit für die wichtigen Dinge im Leben schafft. Er plädiert dafür in kleinsten Einheiten einfach mit einer Musteränderung zu beginnen.


Jeden Tag einen kleinen Schritt vorwärts

Es spielt keine Rolle, ob Sie sich Ihrer Berufungsfindung von der strategischen oder herantastenden und ausprobierenden Seite nähern. Stellen Sie sicher, dass Sie sich kleine überschaubare und machbare Schritte oder Teilziele setzen. Nehmen Sie sich ein Thema aus dem Beitrag Die eigene Bestimmung finden, z.B. Verborgenen Talenten auf der Spur", vor. Beschäftigen Sie sich jeden Tag - möglichst zu einem festen Zeitpunkt - für einen kurzen selbstgewählten Zeitraum (2 min, 5 min, 10 min oder 15 min) mit Ihrem Teilziel zur Berufungsfindung.

Zusätzlich können Sie sich eine eigene Zielerreichungsskala dazu anlegen. Beziffern Sie Ihren Startpunkt mit 1 oder höher (je nachdem, wo Sie bei diesem Thema einsteigen) und Ihr erreichtes Teilziel mit 10. So erleben Sie förmlich, wie Sie sich Ihrem Teilziel Stück für Stück nähern. Belohnen Sie sich, wenn Sie Ihren ersten Schritt vollendet haben, z.B. indem Sie ein gefundenes Talent so richtig ausleben. Das sorgt dafür, dass Sie auch weiterhin motiviert bei der Sache bleiben und am Ende Ihre Berufung finden.

Ich selbst habe diese Taktik sofort ausprobiert und entwickle mein Produkt zum Thema "Berufung finden" nun in kleinen Schritten. Das tolle strategische Konzept, das ich dazu erarbeitet habe, dient mir als Leitfaden und hat die Mächtigkeit verloren, die es einst über mich hatte.